Zweieinhalb Quadratmeter Englischer Garten stehen jeder Münchnerin und jedem Münchner rein rechnerisch zur Verfügung – ein Wert, auf den man in Städten wie New York, wo sich fast sechsmal so viele Menschen die etwas kleinere Fläche des Central Park teilen, mit Neid blickt. Von der Münchner Stadtgesellschaft geliebt und verehrt, ist der „E-Garten“ Synonym für urbane Lebensqualität. Sein Auftraggeber, der Wittelsbacher Kurfürst Karl Theodor, hat den Begriff der nachhaltigen Stadtentwicklung sicherlich nicht gekannt – und doch ist sein Landschaftspark inmitten der heutigen Millionenstadt eines der schönsten Beispiele dafür.
Wohlstand ohne Wunden schaffen
Die Folgen unserer Maßlosigkeit lassen sich direkt vor unserer Haustüre besichtigen
Von solcher Weitsicht brauchen wir für den bevorstehenden Aufbruch ins postfossile Zeitalter mehr denn je. Denn die Erde – so drückt Papst Franziskus es in seiner Enzyklika „Laudato Sì“ aus –, sie schreit. Bis heute ist der moderne Mensch nicht dazu in der Lage, seinen Ressourcenverbrauch an die Regenerationsfähigkeit des Planeten anzupassen. Auf diese Weise schiebt sich der „Earth Overshoot Day“ immer weiter nach vorne: Gut eineinhalb Erden sind es derzeit, die wir für unseren Ressourcenhunger bräuchten. Folgen dieser Maßlosigkeit lassen sich direkt vor unserer Haustüre besichtigen: Die bayerischen Gletscher, die zu Zeiten Karl Theodors vier Quadratkilometer Fläche bedeckt haben, machen gerade noch einen halben Quadratkilometer aus. Anderswo führen Hitze und Dürre bereits jetzt zu den großen Katastrophen der Menschheit – zu Hunger, Migration und Krieg, zur Existenzkrise ganzer Gesellschaften.
Wir stehen in der Pflicht
Fazit also: Wir stehen in der Pflicht. Dabei sind die Vorzeichen für diese neue Dekade, in der uns der transformative Sprung gelingen soll, nicht einmal schlecht. Denn mit dem Klimavertrag von Paris liegt zum ersten Mal ein Dokument vor, mit dem fast die gesamte Staatengemeinschaft ihren Abschied von der fossilen Ära eingeläutet hat. Für die größte Volkswirtschaft der Welt, die USA, hat der neue Präsident noch am ersten Tag seiner Amtszeit eine Rückkehr in diese Gemeinschaft verfügt. Und: China, Schwellenland und Nummer zwei unter den Volkswirtschaften, hat sich mit der Klimaneutralität bis 2060 nun ebenfalls auf ein Ziel festgelegt. Was also will man mehr?
Es braucht einen Gesellschaftsvertrag, mit dem wir unser Zaudern und Zögern vor der Zukunft überwinden
Ziele sind, solange wir sie noch nicht erreicht haben, schöner Schein. Der Teufel liegt im Detail – und damit bei der Frage, mit welchen konkreten Maßnahmen einem Ziel näherzukommen ist. Mittelständler wie die Schörghuber Unternehmensgruppe treffen diese Maßnahmen nach bestem Wissen und Gewissen. Ich berichte bei solchen Gelegenheiten gerne von unserer Lachsproduktion in Chile, wo wir mit dem Produkt „Silverside“ die niedrigste Futterfischrate für Zuchtlachs weltweit erreicht haben, von dem ambitionierten, facettenreichen „Green Evolution“-Programm unserer Golfbetriebe auf Mallorca, von unseren Bemühungen im Getränkebereich, wo wir uns den Ansprüchen einer strengen Zertifizierung stellen, oder von den Formen nachhaltigen Bauens, mit denen wir uns in der Immobilienentwicklung beschäftigen. Das ist alles gut und schön, aber es braucht noch einiges mehr. Viel mehr: Die Erneuerung unseres Wirtschaftens ist eine kollektive Charaktersache. Es braucht einen Gesellschaftsvertrag, mit dem wir unser Zaudern und Zögern vor der Zukunft ein für alle Mal überwinden. Ohnehin ist die dabei aufscheinende immerdeutsche Verlustangst sachgrundlos. Ein solcher Vertrag darf sich nämlich keinesfalls auf das Weniger beschränken. Er muss vielmehr zu einem Manifest des Mehr werden – mehr Chancen durch klare Richtung, ambitionierte Ziele, gezielte Investitionen.
Die Investition in die ökologische Transformation, sie ist alternativlos. Denn bereits heute treibt jede Verzögerung die Kosten für den Ressourcen- und Klimaschutz weiter in die Höhe. 5,4 Billionen US-Dollar werden auf der Rechnung für ein klimapolitisches „Weiter so“ bis zum Jahr 2070 weltweit stehen; immer noch 1,8 Billionen sind es, wenn wir es schaffen, die Erderwärmung auf 2°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, wie in Paris vereinbart. Die Investitionen in die Transformation sind da einige Hausnummern günstiger. Wer unternehmerisch denkt, muss also den Wandel vorantreiben – weil er heute noch den besten Preis bekommt.
Gut möglich, dass Umwelttechnologie made in Germany eines Tages sogar das Auto als Exportschlager überholt
Darüber hinaus ist längst klar, dass Arbeitsplätze fossiler Prägung mehr als kompensiert werden können. Auch dazu gibt es Studien, aber ganz praktisch liefert den Beweis dafür die Erfolgsgeschichte der deutschen, insbesondere der bayerischen Umweltwirtschaft: Fast fünf Prozent aller Erwerbstätigen im Freistaat sind in der Umweltwirtschaft beschäftigt, genau so viele wie im Fahrzeug- und sogar noch mehr als im Maschinenbau. Tendenz – und damit auch die Zahl der Arbeitsplätze – steigend. Gut möglich, dass Umwelttechnologie made in Germany eines Tages sogar das Auto als Exportschlager überholt. Sicher, es wird Berufsbilder geben, die in der postfossilen Ära nicht mehr gefragt sind. Aber dieser Wandel ist nicht neu, und er ist vor allem so unaufhaltsam wie der Wechsel zwischen Tag und Nacht. Auch früher sind alte Berufe abgelöst worden. Insbesondere der Megatrend der Digitalisierung hat an ihrer Stelle immer neue Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen – Möglichkeiten, von denen wir nicht zu träumen gewagt hätten.
Ich bin überzeugt: Die ökologische Transformation unserer Wirtschaft wird eine ähnliche Wucht haben. Sie wird eine ähnliche Vielzahl an Chancen für uns bereithalten – wenn wir diese Chancen denn auch erkennen. Schärfen wir daher unseren Blick für die Zukunft. Bereiten wir einem klugen und nachhaltigen Wachstum den Weg – einem Wohlstand ohne Wunden, der uns unsere hohe Lebensqualität ebenso erhält wie den politischen und sozialen Frieden.